Events 16.10.2023

3. FRANKFURT FUTURE TALKS: Wie Ambidextrie Unternehmen in die Zukunft führt

Business in Balance

Bei den 3. FRANKFURT FUTURE TALKS ging es um Ambidextrie. Ambi... – was? Das mag sich der eine oder andere gefragt (und nachgeschlagen) haben. Der relativ sperrige Begriff bezeichnet schlicht das gängige Organisationsprinzip der „Beidhändigkeit“. Oder: Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Bei der engagierten Panel-Diskussion saßen der CEO des Frankfurter Ventilherstellers SAMSON, der Vorstandsvorsitzende der Raiffeisenbank im Hochtaunus und die Geschäftsführerin der Marketingagentur Vier für Texas auf dem Podium. So unterschiedlich ihre Unternehmen sind, so unterschiedlich erzählten sie ihre jeweiligen Geschichten von Kontinuität, Wandel und Innovation. Im Mittelpunkt der Partnerveranstaltung von COPETRI, Wirtschaftsinitiative und F.A.Z.: Wie lässt sich das Tagesgeschäft abbilden und gleichzeitig Zukunft gestalten?

70 Gäste hatten den Weg zu Wirtschaftsinitiative-Mitglied DekaBank ins Trianon-Gebäude gefunden, um in den luftigen Höhen des 44. Stocks über „beidhändige“ Unternehmensführung zu sprechen. Moderator Daniel Schleidt, F.A.Z.-Ressortleiter Wirtschaft in Rhein-Main, konnte nicht umhin, mit seinen eigenen Erfahrungen einzusteigen: „Ganz sicher ist, dass die F.A.Z auch mit Ambidextrie zu tun hat – und nicht zu knapp.“ Die Zeitung ringt, wie alle Verlagshäuser, mit der Balance zwischen der Fortführung der Print-Ausgabe und der Weiterentwicklung der Online-Ausgabe und zusätzlicher digitaler Kanäle.

Mehr als ein Umzug von Frankfurt nach Offenbach

Auch Dr. Andreas Widl, CEO der SAMSON GROUP, kennt den Spagat zwischen alter und neuer Welt. „Unsere Produkte werden da gebraucht, wo ein Medium durchfließt. Wir lieben Ventile, wir haben Öl an den Fingern“, beschrieb er bei den FRANKFURT FUTURE TALKS das 116 Jahre alte Traditionsunternehmen. Doch auch bei SAMSON spielt die Transformation in die digitale Welt eine große Rolle. „Wir müssen uns ständig verändern – wie ein Organismus“, ist Dr. Widl überzeugt. Deutlich sichtbar wird das durch den Umzug des Unternehmens von Frankfurt-Fechenheim nach Offenbach. „Wir nehmen eine Fabrik, die funktioniert, und versetzen sie nach Offenbach. Warum? Weil wir an unserem bestehenden Standort nicht mehr wachsen und skalieren können. Es geht aber nicht nur um Wachstum. Wir wollen auch die Produktion anders gestalten, mit mehr Automatisierung, weniger Energieverbrauch und besseren Arbeitsumgebungen.“ Wichtig sei es dabei, die eher risikoaversen und sicherheitsorientierten Kunden des Unternehmens mitzunehmen.

Modernes genossenschaftliches Banking ohne Filialen

Wie viele der Anwesenden in den letzten sechs Monaten in einer Bankfiliale waren, um sich beraten zu lassen – das wollte Armin Brunner wissen. Als fünf Hände nach oben gingen, zeigte der Chef der Raiffeisenbank im Hochtaunus sich nicht überrascht. „Unser Haus ist 150 Jahre alt. Wir sind immer noch da, weil wir bereit waren, auf die Zukunft einzuzahlen.“ Gemeint ist damit ein radikaler Schritt, der auch überregional für Aufsehen gesorgt hat. Die Bank hat Ende 2022 alle ihre Filialen geschlossen. Stattdessen bietet sie sehr kostengünstiges Online-Banking und alternativ ein zentrales Beratungscenter, für dessen Nutzung eine höhere Kontoführungsgebühr fällig wird. „Zunächst haben wir 20.000 Kunden verloren, aber in diesem Jahr bereits 48.000 Kunden hinzugewonnen“, so Brunner. „Unternehmertum heißt, auch schwierige Phasen aushalten zu können“, ist sein Credo. „Ich bin sicher, dass Schulze-Delitzsch und Raiffeisen, die Gründerväter des deutschen Genossenschaftswesens, heute eine moderne Direktbank ins Leben rufen würden.“

Organisierte Kreativität

Die dritte Perspektive auf dem Podium bot Nina Mönich, die Geschäftsführerin von Vier für Texas. Ihr Marketing-Metier gilt als Pulsmesser unserer Zeit. „Auch Agenturen stehen immer wieder vor der Frage: Wie kann unser Geschäftsmodell aussehen?“ In der Vergangenheit sei es darum gegangen, ein Briefing vom Kunden zu erhalten und dann eine Kampagne umzusetzen. Kampagnen könne aber inzwischen sogar die generative Künstliche Intelligenz kreieren. „Wir haben heute verschiedene Räume, in denen wir unterschiedlich arbeiten – mal geht es darum, Ergebnisse abzuliefern, mal darum, innovativ zu sein. Mit unseren Kunden arbeiten wir co-kreativ.“ Bei den Kunden gebe es eine unterschiedliche Bereitschaft, sich zu öffnen, ebenso bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Transformation ist immer ein Kraftakt. Wandel bedeutet auch Abschiednehmen.“

Beidhändige Führung

FRANKFURT FUTURE TALKS ist ein Format, das den Austausch großschreibt. So blieb natürlich ausreichend Gelegenheit für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter zahlreiche Wirtschaftsinitiative-Mitglieder, ihre Fragen loszuwerden. Besonders von Interesse: Wie funktioniert gute Führung im Zeichen der Ambidextrie? Und welche konkreten Empfehlungen können die Diskutanten weitergeben? „Würdigen Sie die alte Welt – ohne sie gäbe es die neue Welt nicht. Sorgen Sie dafür, dass vorhandenes Wissen nicht verloren geht. Beschäftigen Sie sich intensiv mit dem Thema Führung und geben Sie Ihren Führungskräften etwas an die Hand. Und: Sprechen Sie mit Ihren Kunden“, riet Dr. Widl, der auch schon mal „undervocer“ bei der Reparatur eines Ventils geholfen hat. „Gehen Sie als Führungskraft aus Ihrem Elfenbeinturm heraus, betreiben Sie Management by Walking Around“, so der Appell von Achim Brunner. Nina Mönich plädierte wiederum für einen authentischen Auftritt: „Bewahren Sie die Werte, die der Organisation wichtig sind, und bleiben Sie beweglich. Eine Marke kann verschiedene Gesichter haben.“

Fotos © Vier für Texas

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